Ich habe schon oft erlebt, dass Leute bei jeder Gelegenheit den Wein in einer Karaffe auftischen. Dazu gibt es aber oft überhaupt keinen Grund! Echte Weinkenner wissen das! So hege ich den Verdacht, dass es vielen vielmehr um die schöne Karaffe geht, die sie beim Urlaub in Portugal gekauft haben, als um den Wein, der eigentlich die Hauptrolle spielen sollte. Doch nicht alle Weine sollten dekantiert oder karaffiert werden – beides kann sich sogar sehr negativ auf den Wein auswirken.
Dekantieren: nur für alte Tropfen!
Mit Dekantieren meint man das vorsichtige und langsame Umschenken eines älteren Weins in eine Karaffe. Ziel ist es, das Depot, das sich mit der Zeit in der Flasche gebildet hat, vom Wein zu trennen. Wer öfters exklusivere Restaurants frequentiert, hat dieses Prozedere sicherlich schon live beobachten können. Der Sommelier gießt den alten Rotwein in eine Karaffe und hält gleichzeitig eine Kerze unter die Flasche. Nein, nicht der fancy Atmosphäre wegen! Die Kerze erhellt die Flasche, damit der Sommelier sieht, wann die Ablagerung den Flaschenhals erreicht und er mit dem Dekantieren aufhören muss. Theoretisch könnte er auch eine Taschenlampe benutzen, doch seien wir einmal ehrlich: Dann ist die intime Stimmung endgültig dahin. Es muss auch gesagt werden, dass nicht jeder das Dekantieren mag. Manch ein Connoisseur alter Bordeaux und Burgunder schätzt den Bodensatz sehr und lehnt das ganze Prozedere resolut ab.
Karaffieren: der junge Wein und seine Aromen
Karaffieren ist den jungen Weinen vorbehalten und erfüllt einen ganz anderen Zweck. Junge Weine haben noch überhaupt kein Depot. Ganz im Gegenteil: damit sich die jungen Tropfen ganz entfalten können, muss man ihnen Luft zuführen (vergleichbar mit dem Schwenken bei der Probe). Deshalb steht auf der Rückseite vieler Supermarktweine: “vor Genuss karaffieren”. Die Luft ist dabei wichtiger Bestandteil. Aus diesem Grund wird beim Karaffieren, ganz anders als beim Dekantieren, die Flasche mit viel Schwung in die Karaffe umgefüllt. Dies wäre beim Dekantieren ein großer Fehler, da ältere Weine „umkippen“ können, wenn sie zuviel Sauerstoff ausgesetzt werden.
Am besten probiert man den Wein zuerst, bevor man zur Karaffe greift. Noch einmal gilt: der Wein steht im Mittelpunkt, nicht die teuren Utensilien!
Im beigefügten Video erklärt Kochexperte und Geschäftsführer vom Kochshop Butch, Marco Nikolay, wie man Weine am besten dekantiert.
Wie lange im Voraus soll man Rotweine dekantieren?
Je nach Weintyp soll man Weine unterschiedlich lange im Voraus dekantieren. Leichte junge Rotweine brauchen weniger Zeit als die schweren Kalliber.
Ein Pinot Noir brauch ca. 20 bis 30 Minuten Atemzeit. Kräftige Rebsorten wie Cabernet Sauvignon, Mourvèdre oder Nebbiolo brauchen mehr Zeit.
Weintyp | Atemzeit | Rebsorten |
Leichtere Rotweine | 20-30 Minuten | Pinot Noir, Gamay, Zweigelt |
Mittelkräftige Rotweine | 30-60 Minuten | Sangiovese, Tempranillo, Merlot |
Kräftige Rotweine | +60 Minuten | Nebbiolo, Cabernet Sauvignon, Mourvèdre |